15 Punkte gegen den Lehrkräftemangel

Bundesweit fehlen Lehrerinnen und Lehrer. Die GEW macht 15 Vorschläge an die Politik, was jetzt getan werden muss. So kann der Lehrkräftemangel bekämpft und die Krise im Klassenzimmer noch verhindert werden.

1. Arbeitszeitreserven heben

Die meisten Lehrkräfte lieben ihren Beruf, arbeiten aber unter sehr hohen Belastungen. Die Folge: Überdurchschnittlich hohe Teilzeitquoten, auch um Familie und Beruf miteinander vereinbaren zu können, Langzeiterkrankungen, Frühpensionierungen – und eine abschreckende Wirkung auf junge Menschen, die vor der Entscheidung für einen Beruf stehen. Um ausgebildete Lehrkräfte an den Schulen zu halten, müssen die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte verbessert und damit attraktiver werden (Senkung der Arbeitszeit, kleinere Klassen, mehr Ausgleichsstunden, besserer Gesundheitsschutz, höhere Altersermäßigung, Unterstützungssysteme für Lehrkräfte wie Team-Coaching und Supervision usw.). Die GEW bietet zu diesen Punkten Verhandlungen an.

2. Multiprofessionelle Teams bilden

Die Schulen müssen personell besser, aufgabengerechter und passgenauer aufgestellt werden. Dazu gehören unterschiedliche Professionen, insbesondere für den Ausbau des Ganztags, die Inklusion und die Integration Geflüchteter: Sozialpädagog*innen und -arbeiter*innen, Erzieher*innen, Psycholog*innen, Heilerziehungspfleger*innen, Therapeut*innen, Kunsterzieher*innen, Musikpädagog*innen, Dolmetscher*innen und herkunftssprachliche Lehrkräfte sowie Lehrkräfte für Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache. Diese Berufsgruppen sollen in multiprofessionellen Teams zusammenarbeiten. So können Aufgaben und Arbeit den unterschiedlichen Qualifikationen entsprechend besser verteilt werden. Damit wird Entlastung geschaffen. Die Qualität der Angebote der Schule und der Unterricht verbessern sich. Die Zufriedenheit aller Beschäftigten steigt.

3. Mehr IT- und Verwaltungsunterstützung

Zusätzlich müssen Verwaltungskräfte, Assistenzen und IT-Fachleute eingestellt werden. Sie sollen nichtpädagogische Arbeiten übernehmen und unter anderem eine digitale Infrastruktur aufbauen und deren Wartung übernehmen sowie Labore, Werkstätten oder Lehrküchen betreuen. Lehrkräfte werden damit von fachfremden Aufgaben entlastet. So wird mehr Zeit für die pädagogische und soziale Arbeit mit den Schüler*innen gewonnen.

4. Gutes Geld für gute Arbeit – Attraktivität des Lehrkräfteberufs steigern

Die Attraktivität des Lehrkräfteberufs muss verbessert werden. Dazu gehört auch, alle voll ausgebildeten Lehrkräfte nach A 13 (Beamtinnen und Beamte) und E 13 (Angestellte) zu bezahlen. Das ist nicht nur eine Frage der Gleichbehandlung mit anderen akademischen Berufen im öffentlichen Dienst und der Anerkennung der professionellen pädagogischen und fachlichen Arbeit, sondern hilft auch gegen den besonders an Grundschulen herrschenden Lehrkräftemangel. Die Arbeit an den Grundschulen aufzuwerten, die überwiegend von Frauen geleistet wird, ist überfällig - das gilt auch für die Schulen der Sekundarstufe.

5. Studienplätze ausbauen, Studium verbessern

Die Landesregierungen und damit die Hochschulen müssen die Zahl der Plätze für das Lehramtsstudium erhöhen und Studienbeschränkungen für das Lehramt (Numerus clausus, beschränkter Zugang zum Masterstudium) abschaffen. Dabei sollen sie den besonderen Bedarf bestimmter Fächerkombinationen berücksichtigen. Die Spezialisierung für einzelne Schularten muss zugunsten von Stufenlehrämtern überwunden werden. Zudem muss die hohe Abbruchquote reduziert werden. Das erfordert, dem Lehramtsstudium an den Hochschulen konzeptionell und personell mehr Gewicht zu geben und die Begleitung der Studierenden deutlich zu verbessern - nicht zuletzt durch eine bessere Betreuungsrelation und Dauerstellen für Daueraufgaben in der Lehre.

6. Ausländische Abschlüsse anerkennen

Die Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse von Lehrkräften muss erleichtert werden. Spracherwerb und gegebenenfalls erforderliche Weiterqualifizierung dieser Lehrkräfte soll berufsbegleitend laufen und durch ausreichende Stundenermäßigung abgesichert werden. Wenn Lehrkräfte nur ein Unterrichtsfach haben – im Ausland ist das der Regelfall – darf das kein Ausschlusskriterium für eine berufsbegleitende Weiterbildung sein.

7. Vorbereitungsdienst stärken

Die Landesregierungen müssen die Zahl der Plätze im Vorbereitungsdienst (Referendariat), auch in Teilzeit, ausweiten. Der bedarfsdeckende Unterricht ist zu reduzieren und die Betreuung der Referendar*innen deutlich zu verbessern, um die hohe Abbruchquote zu senken. Lehrkräfte mit erstem Staatsexamen ohne Referendariatsstelle sollen bei Bedarf einen Vorbereitungsdienst in einem anderen Lehramt absolvieren können und/oder sie bekommen die Möglichkeit, parallel eine zusätzliche Lehrbefähigung in einem Mangelfach zu erwerben.

 

8. Bezahlung der Anwärter*innen und Referendar*innen über Mindestlohn heben

Die Bezahlung im Vorbereitungsdienst muss signifikant angehoben werden. Rund 1.500 Euro brutto im Monat für eine mehr-als-Vollzeit-Beschäftigung nach fünf Jahren Studium sind unwürdig und schrecken auch potenzielle Quereinsteiger*innen mit Berufs- und Lebenserfahrung ab.

9. Gemeinsamer Kraftakt Quer- und Seiteneinstieg

Auch wenn alle diese Maßnahmen sofort angegangen werden, reicht das kurzfristig nicht, um das Unterrichtsangebot und die unmittelbar nötigen pädagogischen Verbesserungen abzusichern. Länder, Hochschulen, Studienseminare und Gewerkschaften müssen sich deshalb auf eine gemeinsame Kraftanstrengung verständigen, um ab sofort berufsbegleitend Quer- und Seiteneinsteiger*innen zu qualifizieren. Das erfordert attraktive Bedingungen für die angehenden Lehrkräfte, die auch Teilzeit möglich machen, um die hohe Abbruchquote deutlich zu senken. Die Ausbildung „on the job“ ist so zu gestalten, dass fehlende Ausbildungsinhalte berufsbegleitend nachgeholt werden können. Dafür ist ausreichend zeitliche Entlastung bereit zu stellen. Abstriche an der Qualität der Ausbildung kommen für die GEW nicht in Frage. Quereinsteiger*innen mit einem fachlich geeigneten Hochschulstudium sollen bei Bedarf direkt mit dem Vorbereitungsdienst beginnen können. Der Vorbereitungsdienst ist so zu organisieren, dass das Nachholen fehlender Ausbildungsinhalte aus dem Studium zu schaffen ist. Nach erfolgreichem Ausbildungsende werden die Abschlüsse dieser Lehrkräfte allen anderen gleichgestellt.

10. Beschäftigte ohne Lehramt begleiten und ihnen Perspektiven bieten

Unterricht durch nicht als Lehrkraft ausgebildete oder in Ausbildung befindliche Beschäftigte ist eine Notmaßnahme, für die die Politik verantwortlich ist. In diesen Fällen ist den Beschäftigten ohne Lehramt eine erfahrene Lehrkraft als Mentor*in mit ausreichend Entlastungsstunden zur Seite zu stellen. Den Beschäftigten, die sich in der Schule bewährt haben, ist eine realistische Perspektive zur Nachqualifizierung als Quer- oder Seiteneinsteiger*in anzubieten. Befristungsketten und Entlassungen in den Schulferien lehnt die GEW ab. Diese gehen zu Lasten der Beschäftigten, der Schüler*innen, der Schulen und der sozialen Sicherungssysteme.

11. Mentor*innen stärken

Lehrkräfte, die Nachwuchslehrkräfte betreuen (Mentor*innen), müssen eine Pflichtstundenentlastung von mindestens zwei Unterrichtsstunden pro Lehrkraft und Fach im Vorbereitungsdienst bzw. pro Seiteneinsteiger*in oder zu betreuender nicht ausgebildeter Lehrkraft erhalten. Schulen, die ausbilden, brauchen zusätzliche Lehrkräfte. Mit dem Ausgleich finanzieller Nachteile können Pensionär*innen und Rentner*innen für Beratung oder Unterricht gewonnen werden.

12. Schulen in schwierigem Umfeld besser ausstatten

Schulen in herausfordernden sozialen Lagen stehen vor besonderen Problemen. Sie müssen aktiv mit zusätzlichen Bundesgeldern, die nach dem sozial indizierten Verteilungsschlüssel, den die GEW entwickelt hat, zu verteilen sind, und Ausgleichsstunden für die Lehrkräfte aus Landesmitteln unterstützt werden. Ungleiches muss ungleich behandelt werden. Mit den zusätzlichen Geldern können beispielsweise Doppelbesetzungen finanziert und bessere Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Das macht diese Schulen für Lehrkräfte, aber auch andere Professionen attraktiver.

13. Neue Wege gehen

In Modellprojekten soll geprüft werden, ob der Einstieg in den Beruf durch ein verändertes Referendariat in Verbindung mit einer darauffolgenden begleiteten Berufseinstiegsphase schneller und attraktiver gestaltet werden kann. Weiter ermuntert die GEW die Länder zu neuen Modellversuchen einer einphasigen Lehrer*innenbildung, die theoretische und praktische Ausbildung von Anfang an integrieren. Für das Lehramt Berufsbildende Schulen schlägt sie ein einphasiges duales Masterstudium als zweiten Regelweg vor.

14. Kurswechsel bei Einstellungspolitik

Die Kultusministerkonferenz (KMK) und die Länder müssen umgehend eine Strategie entwickeln, kontinuierlich eine ausreichende Zahl Lehrkräfte auszubilden und einzustellen, um den ständigen Zyklus von Lehrkräfteüberschuss und -mangel künftig zu überwinden. Die Ministerien beziehen dabei den Sachverstand der Beschäftigten und ihrer Vertretungen ein. Die GEW bietet hierfür ihre Unterstützung an.

15. Verbindlichkeit sichern

In vielen Abkommen der KMK sind in der Vergangenheit Vereinbarungen getroffen worden, um die Ausbildung der Lehrkräfte zu verbessern und den Lehrkräftebedarf zu decken. Diese sind in der Regel nicht flächendeckend umgesetzt worden. Damit dies in Zukunft geschieht, schlägt die GEW einen Staatsvertrag zur Lehrkräfteausbildung und zur Deckung des Lehrkräftebedarfs vor.

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(Dieser beitrag ist zuerst erscheinen unter https://www.gew.de/15-punkte-gegen-lehrkraeftemangel)