Rundschreiben Nr. 12

Partizipation in Zukunft nur noch digital

Liebe GEW-Kolleginnen und Kollegen im Bezirksverband Südhessen,

dieser Rundbrief beschäftigt sich mit Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und GRÜNEN zur Schulgesetzänderung, der der Digitalisierung der Partizipation Türen auch über die derzeitige Situation hinaus öffnen kann.

Partizipation in Zukunft nur noch digital - darf das sein?

"Digitale Verantwortungslosigkeit" überschrieb der GEW-Kreisverband Wiesbaden Rheingau am 10.03.2021 seine Presseerklärung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und GRÜNEN zur Schulgesetzänderung, in der festgeschrieben werden sollte, dass Konferenzen, Besprechungen und Sitzungen aller Art in Zukunft grundsätzlich immer digital stattfinden könnten, da sich die elektronische Form bewährt hätte.

Der GEW-KV gab daraufhin mit Unterstützung des Bezirksverbands Südhessen ein Rechtsgutachten in Auftrag, das mit oben erwähnter Presseerklärung veröffentlicht wurde. Im Gutachten wurde die rechtliche Fragwürdigkeit des Gesetzentwurfs festgestellt.

Die Fraktionen änderten daraufhin ihren Entwurf, rechtlich fragwürdige Vorhaben wurden gestrichen, Kritik ist jedoch weiterhin notwendig.

Zusätzlich haben wir unten zwei Links zu Pressemitteilungen der GEW Hessen und des GPRLL RTK-WI zur Frage eines sicheren Schulbetriebs eingestellt.

Herzliche Grüße
Christine Dietz, Michael Köditz, Dr. Manon Tuckfeld
Vorsitzendenteam des Bezirksverbands der GEW Südhessen
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Das Schulgesetz in der Revision – Was bedeutet das für die Digitalisierung?

Dieses Mal ging es dem Kultusministerium nicht nur um die kurzfristige Bewältigung der durch die Schulschließungen gestiegenen Herausforderungen der Schulen. Sondern es wurde versucht, über umfangreiche, unbefristete Änderungen eine grundlegende Weichenstellung im Bereich der Digitalisierung vorzunehmen. Dabei war das Fehlen eines vorgesehenen Auslaufens der Regelungen – wie wir es von allen derzeit vorgenommenen Gesetzesänderungen kennen – nur ein Problem, über das die GEW gestolpert ist. Wir waren weiter konfrontiert mit einem großen Umfang von Änderungen, zahlreichen Kann-Formulierungen sowie einer fast ritualhaft anmutenden Begründung der Änderungen.

Wird alles digital?

Videokonferenzen sollten plötzlich für alle möglichen Formate möglich sein – von der Förderkonferenz bis zur Schulkonferenz. Es gab kaum mehr ein Gremium oder eine Arbeitssituation in Schule, für die das Kultusministerium nicht vorgesehen hatte, dass diese nicht mehr präsent, sondern rein digital stattfinden bräuchten. Und eben weit über die Pandemie hinaus – als Regelfall. Die Begründung lautete immer gleich: die digitalen Formate hätten sich bewährt und könnten daher unbegrenzt und unverändert fortgeführt werden. Formuliert wurde dies aber stets so, dass z.B. die Konferenz der Lehrkräfte digital stattfinden „kann“. Damit hat sich das Ministerium direkt wieder aus jeder Verantwortung herausgezogen und diese vollständig an die Schulen delegiert. Nur, wer entscheidet nun wie und auf welcher Grundlage, ob abseits jeder Erforderlichkeit eine Konferenz nun digital oder in bewährter Präsenzform stattfindet?

Bewährte Präsenzzusammenkünfte in den Schulen ersetzbar?

Haben sich die Formate tatsächlich bewährt oder kam es nicht zu einer deutlichen Reduktion demokratischer Partizipation? Haben wir nicht alle gemerkt, wie schwierig es ist, aufeinander einzugehen, wenn man jemanden gar nicht oder nur als Kachel auf dem Bildschirm sieht? Die GEW war sich da sehr sicher: Digitale Formate haben sich mitnichten bewährt. Sie waren für die pandemischen Ausnahmesituationen eine Unterstützungsmöglichkeit. Aber bei weitem nicht auf dem Niveau, die bewährten Präsenzzusammenkünfte in Schulen zu ersetzen.

Die GEW sah erhebliche handwerkliche Mängel in den Gesetzesformulierungen. Diese waren – und sind es auch in der jetzt beschlossenen Form noch – von einer juristischen Unklarheit, dass sie absehbar zu Problemen in der Umsetzung an den einzelnen Schulen führen werden. Zudem stehen sie in erkennbarem Konflikt mit der DSGVO. Dies hat schließlich auch das Rechtsgutachten deutlich bestätigt, welches die GEW Wiesbaden-Rheingau in Auftrag gebeten hatte und welches vom Bezirksverband Südhessen mitfinanziert wird.

Zur zweiten Lesung des Gesetzes hatte daraufhin das Kultusministerium eine umfangreiche Überarbeitung des Gesetzes und der dazugehörigen Verordnung insbesondere im Bereich der Digitalisierung vorgelegt. Insbesondere an der Art und den geänderten Punkten ist deutlich zu erkennen, dass man sich dabei sehr am Gutachten der GEW zu orientieren versucht hat.

Digitalen Formate auf den Prüfstand stellen 

Am Auffälligsten ist, dass nun doch eine Befristung der Maßnahmen bis Januar 2023 eingezogen wurde. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird es also notwendig sein, die digitalen Formate erneut und mit dann hoffentlich einigem Abstand zur akuten Pandemiesituation auf den Prüfstand zu stellen. So eindeutig – wie noch wenige Tage zuvor behauptet – schienen sich dann plötzlich auch für das Ministerium die Formate nicht mehr bewährt zu haben. So heißt es in der neuen Gesetzesbegründung: „Infolge verschiedener Bedenken, die im Rahmen der Anhörung zutage getreten sind, lässt sich noch nicht endgültig beurteilen, ob sich die Option elektronischer Konferenzsitzungen bewährt hat.“

Distanzunterricht als Ausnahme 

Zusätzlich hat das Ministerium den Einsatz digitaler Formate eindeutig auf Ausnahmesituationen beschränkt. Die zugehörige Verordnung als auch der entsprechende Paragraph sprechen nur noch von Distanzunterricht, welchen man mit einen ebenfalls zur zweiten Lesung ergänzten Paragraphen auf Ausnahmesituationen mit verbundenen Schulschließungen begrenzt hat (Schutz von
Leben und Gesundheit sowie außergewöhnliche Witterungsbedingungen).

Landeseigene Infrastruktur

Und drittens ist die Verdeutlichung, dass landeseigene Infrastrukturen von den Schulen zu nutzen sind, eine erkennbare Übernahme unserer Forderungen. Es ist und bleibt eben Aufgabe des Landes, die technische Ausstattung für Schüler*innen und Lehrkräfte sowie die Bereitstellung von datensicheren und datenschutzkonformen Systemen zur Verfügung zu stellen.

Mit den Anpassungen und Konkretisierungen des Entwurfes zum Schulgesetz sieht sich der Bezirksverband der GEW Südhessen in seiner Kritik bestätigt. Hilfreich waren dabei sicher auch teils sehr ähnliche Einlassungen von Elternund Schülervertretungen.

Leider wurden die Hinweise im Rechtgutachten der GEW, dass eine Videoübertragung von Unterricht ohne Zustimmung der Lehrkraft unzulässig ist, nicht aufgegriffen. Von dieser Praxis, die aus unserer Sicht demokratischen Grundüberlegungen widerspricht, scheint man nicht abweichen zu wollen. Allerdings ist in die Regelung aufgenommen, dass digitalgestützter Distanzunterricht auch mit Hilfe von Telefonkonferenzsystemen möglich ist. Damit ist ein technisches Mittel benannt, dass ohne Abfilmen auskommt und der Lehrkraft im Rahmen ihrer pädagogischen Freiheit die Möglichkeit eröffnet, die Unterrichtsgestaltung datenschutzfreundlicher als bisher zu gestalten.

Dennoch bleibt das Schulgesetz deutlich davon entfernt, im Bereich der Digitalisierung und der Datenverarbeitung im harmonischen Einklang mit der DSGVO zu stehen. Im Gegenteil sind die Bruchstellen so offensichtlich, dass die GEW absehbar und weiterhin viele Unklarheiten und auf die Ebene der einzelnen Schulen verlagerte Streitigkeiten erwartet. Hierzu befinden wir uns in der Vorbereitung, um dabei Schulleitungen und Kolleg*innen unterstützen und begleiten zu können. Vom Ministerium ist dabei – durch das Schulgesetz nun erklärtermaßen – keine Unterstützung zu erwarten. Eher im Gegenteil.

In Summe ist jedoch gelungen, den Schnellschuss, der die in der derzeitigen Ausnahmesituation zugelassenen Maßnahmen auf unbestimmte Dauer auszudehnen, zu verhindern. Dadurch ist Zeit, in den weiteren Prozess der Gestaltung der Digitalisierung folgende Forderungen einzubringen:

  • Die Wahrung und Achtung des Grundrechts der informationellen
  • Selbstbestimmung aller Betroffenen.
  • Pädagogische Freiheit auch bei der Gestaltung des digitalen Lernraums.
  • Klare Regelungen für eine nachhaltige Digitalisierung.
  • Landeseigene Infrastruktur
  • Konformität mit der DS-GVO.
  • Keine Verlagerung der Klärung grundlegender datenschutzrechtlicher Fragen auf die einzelnen Schulen.

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Links
Pressemitteilungen der GEW Hessen und des GPRLL RTK-WI zur Frage eines sicheren Schulbetriebs
Stringentes Testkonzept und Impfangebot für alle Lehrkräfte!
Pressemitteilung der GEW Hessen vom 23.03.2021
Offener Brief des Gesamtpersonalrats für den Rheingau-Taunus-Kreis und
Wiesbaden vom 24.02.2021 an Minister Lorz zu partiellen Schulöffnungen