Gegen Bekenntnis- und Symbolpolitik! Für reale Verbesserungen im hessischen Bildungssystem

Eine Einschätzung des Koalitonsvertrags und die sich daraus ergebenden Forderungen

Hessen hat gewählt, Hessen hat eine neue Regierungskoalition und Hessen sieht (Armin) Schwarz … Was sehen wir jedoch bei einem Blick in den Koalitionsvertrag zum Thema Bildung?
Die Mehrgliedrigkeit wird seitens der Koalitionäre selbst in Richtung Zweigliedrigkeit aufgelöst. Es wird von Mittelstufenschulen im ländlichen Raum und von Realschulen, welche auch zum Hauptschulabschluss beauftragt sind, genauso wie von Abschulung/Querversetzung gesprochen.
Im Ergebnis bedeutet dies nichts anderes, als dass sich die Gymnasien nach kurzer Zeit ihrer nicht leistungsstarken Schüler*innen entledigen hin an die zweite Säule, die Mittelstufen-, Real- sowie die Gesamtschulen (letztere werden im Vertrag nicht mal mehr mit einem Wort erwähnt).
Von Begabtenförderung wird im Vertrag gesprochen, aber eine Grundschule mit echtem rhythmisiertem Ganztag wird zugunsten eines Paktes verneint. Die soziale Segregation ist leicht erkennbar. Die Ignoranz der Koalitionäre auch.
Sprechen sie in ihrem Koalitionspapier doch von auskömmlicher Ausstattung der Grundschulen, die sie auch weiterhin leisten wollen, fragt sich die GEW-Südhessen, wovon da geschrieben/gesprochen wird und empfiehlt den Koalitionären, die Grundschulkolleg*innen zu fragen, wie auskömmlich die Ausstattung der Grundschulen ist.
Wer glaubt, mit dem alten Hut aus FDP-Kultusministerin-Zeiten – dem Aufschlag zur Grundunterrichtsversorgung – noch jemandem vormachen zu können, dass Schulen auch nur annähernd gut versorgt sind, irrt. Die 4 oder 5 Prozent Aufschlag kompensieren oft nur den Ausfall von Kolleg*innen aufgrund verzögerter Personallenkung, nicht ausreichender Versorgung oder Krankheit.
Wie überhaupt ausreichend Kolleg*innen für Schule gewonnen werden sollen, findet sich kaum: Mit mehr Studierenden an Schule über VSS-Mittel, studentischen Lehrbegleitern und durch den Einsatz im Praxissemester soll mehr Personal an die Schulen gebracht werden. Einstiegshürden sollen abgeschafft, Quereinstieg ermöglicht, Pensionäre gewonnen, Entfristungen betrieben werden – aber alles natürlich mit Wertlegung auf Qualität.
Und für die Lehrkräfte, die bereits im Schuldienst sind? Hier wird geprüft und überlegt, ob kleine Systeme, die eine LiV ausbilden, diese nicht angerechnet bekommen. Oder dauerhaft übernommene Aufgaben mit Stundenentlastungen hinterlegt werden – aber nur dann (!), wenn die Aufgaben nicht im Rahmen eines Beförderungsamtes übertragen wurden.
Es findet sich nicht eine konkrete Entlastung oder Verbesserung für die an Schule Tätigen, sondern nur das Versprechen, dass mit allen möglichen Maßnahmen der Personalgewinnung die Belastung für die Stammbelegschaft angehoben wird, die die Aufgabe haben wird, diejenigen, die mit ihrer Ausbildung noch nicht fertig sind oder über gar keine solche verfügen, in Schule zu intergieren.
Im Hinblick auf die Inklusion wird in diesem Vertrag sehr fein unterschieden zwischen einer Inklusion, die an Regelschulen noch stattfinden soll und einer, die am besten althergebracht wieder in der Förderschule umgesetzt wird. In der Regelschule soll es dann von Regelschullehrkräften – angeleitet durch Berater*innen, die versehentlich noch den Namen Förderschullehrkraft haben, zur Umsetzung kommen.
So kann dem Mangel an Förderschulkräften auch begegnet werden! Regelschullehrkräfte übernehmen einfach große Teile ihrer Aufgaben. Wie dumm nur, dass es auch kaum Grundschullehrkräfte gibt.
Erst wird die Inklusion in der Regelschule faktisch vereitelt, dann wird die schöne alte Förderschule aus dem Hut gezaubert und der Grundschulkolleg*in die Arbeit aufgebürdet.
-
Dieser Koalitionsvertrag, der EINER FÜR ALLE sein soll, ist bildungspolitisch regressiv, träumt von der Schule, die alles kann aber nichts kostet, schützt das gute alte Gymnasium und steht für die Bildungsgerechtigkeit derjenigen, die sich diese leisten können.
-
Dieser Koalitionsvertrag hat die neusten PISA-Ergebnisse nicht zur Kenntnis genommen.
-
Dieser Koalitionsvertrag ignoriert, dass Bildung, die einer konservativen Diktion unterworfen ist, nicht einmal in Ansätzen das Versprechen einlöst, dass Bildung zu Leistung und Leistung zu sozialer Mobilität führt.
Eine Schule wie sie hier skizziert ist, wird und will es wohl auch nicht schaffen, Bildung allen zur Verfügung zu stellen. Eine solche Schule müsste so ausgestattet sein, dass sie in der Lage ist, die gesellschaftlichen Unwuchten aufzufangen. Davon ist dieser Vertrag nicht nur weit entfernt, er erhebt darauf nicht mal mehr einen Anspruch.
Der Bezirk der GEW Südhessen erklärt zum Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD: So viel Bekenntnis- und Symbolpolitik war noch nie!
Die Koalitionäre bekennen sich zur Bildungsgerechtigkeit und zum Erhalt des mehrgliedrigen Schulsystems inklusive Notengebung und Sitzenbleiben.
Die GEW Südhessen fordert dagegen nicht nur Durchlässigkeit des Schulsystems, sondern ein integriertes, welches für alle Begabungen und Fähigkeiten den richtigen Platz und den anerkennenden Abschluss hat.
Die Koalitionäre bekennen sich zu einer Grundunterrichtsversorgung und den 105%, weil dies angeblich den konkreten Bedarf einer Schule wiedergebe.
Die GEW Südhessen fordert, dass bedarfs- und aufgabengerecht versorgt wird, was deutlich über eine Versorgung von 104/5% hinausgeht.
Die Koalitionäre bekennen sich zum Ziel der Inklusion und machen sich stark für den Erhalt der Förderschule.
Die GEW Südhessen fordert, das Regelschulsystem sachlich und personell so auszustatten, dass Inklusion gelingen kann.