Rundbrief 10

Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf Kinder und Jugendliche

Liebe GEW-Kolleginnen und Kollegen im Bezirksverband Südhessen,

eine besondere Qualität der GEW, mit der sie sich von berufsständischen Verbänden unterscheidet, ist, dass sie sich nicht nur mit den Arbeitsbedingungen und der Entlohnung der Arbeitnehmer*innen und Beamt*innen beschäftigt, sondern sich auch für die von ihnen betreuten Menschen engagiert. Die GEW tritt traditionell für eine fortschrittliche Pädagogik und die Partizipation aller Beteiligten in den Einrichtungen – also demokratische Strukturen – ein. Inklusion hat die GEW frühzeitig zu ihrem Ziel gemacht.

In den vergangenen Monaten hat sich – nicht nur im Bildungsbereich – der Fokus verengt; im Vordergrund steht die Ausbreitung des Coronavirus, die damit verbundenen Risiken für die Beschäftigten, sowie die Frage, wie die – eher selten praxisnah durchdachten - Maßnahmen im Rahmen des Lockdowns zu bewältigen sind, die für viele zu massiver Mehrarbeit führen. Dass dabei andere Themen aus dem Blick geraten, ist verständlich; wenn man in ständiger Lebensangst seinen Arbeitsalltag bewältigt und zudem kaum weiß, wie man das überhaupt schaffen kann, fordert das alle Aufmerksamkeit.

Nun geraten aber – zunehmend auch in der Öffentlichkeit – die Auswirkungen der Maßnahmen auf Kinder und Jugendliche in den Blick. So berichtet etwa der Direktor der Westfälischen Kinderklinik Dortmund, Dominik Schneider, über schwere psychische und physische Störungen bei Kindern. Ebenfalls im Deutschlandfunk findet sich ein Bericht: "Schüler aus benachteiligten Familien verlieren vollständig den Anschluss in der Corona-Krise". Damit sind schon zwei zentrale Themen skizziert.

Als Pädagog*innen wissen wir um die Rolle zwischenmenschlicher Begegnungen für die psychische Entwicklung von Kindern. Die Entwicklung eines stabilen Selbstwertgefühls ist vom unmittelbaren Austausch mit anderen abhängig. Das wissen GEWler schon lange: Die Lehrkraft als Person ist unverzichtbar. Digitale Wissensaneignung ist ein schaler Ersatz. Persönliche Bindung ist unverzichtbar für die Persönlichkeitsentwicklung. Defizite, die hier entstehen, werden uns langfristig begleiten. Wir müssen in die Diskussion eintreten, wie wir hier gegensteuern und ausgleichen können, auch in Zukunft. Wie soll die Schule nach den Corona-

Maßnahmen aussehen? Es werden ganz andere Schwerpunkte nötig sein als eine Fokussierung etwa auf Wissenserwerb und Abschlussprüfungen, um die aufgelaufenen Entwicklungsdefizite aufzuarbeiten.

Wir Pädagog*innen sind in der derzeitigen Situation die Experten, die sehr genau Auskunft darüber geben können, wie es bei und in den Kindern und Jugendlichen, mit denen wir arbeiten, aussieht – und mit welchen Folgen wir langfristig rechnen müssen. Wissenschaftler haben die Debatte eröffnet. Wir sollten uns einmischen und berichten, was wir erleben.

Wir wollen Berichte von Erzieher*innen, Sozialpädagog*innen und Lehrkräfte darüber, was sie bei ihren Kitakindern, Schüler*innen oder Studierenden beobachten, zusammentragen und im Rahmen unserer Möglichkeiten veröffentlichen, etwa hier im Newsletter, oder auch in gewerkschaftlichen oder gewerkschaftsnahen Publikationen. Dafür bitten wir Euch um Eure Darstellungen, bitte auch mit kurzen Angaben zur Einrichtung (die nicht genannt werden muss), sowie zur Altersgruppe und Lebenssituation der Kinder. Natürlich können wir nur einen Teil und nur Auszüge veröffentlichen, aber wir hoffen auf ausreichend Material, um eine gewerkschaftliche Auseinandersetzung über diese Thematik anzustoßen, auch mit der Frage, wie es mit unseren Einrichtungen in Zukunft weitergehen soll.

Mailt Eure Erfahrungen und Berichte (im Umfang von vielleicht 1-2 Seiten) bitte an m.koeditz@gew-suedhessen.de; dort sollen sie zusammengetragen und zusammengefasst werden (falls Ihr wünscht, gern auch anonymisiert). Wir halten Euch weiter auf dem Laufenden!

Wir wünschen Euch alles Gute!
Christine Dietz, Michael Köditz, Dr. Manon Tuckfeld Vorsitzendenteam des Bezirksverbands der GEW Südhessen